Wenn du eine neue Mundharmonika gekauft hast, möchtest du am liebsten gleich loslegen. Doch manche warnen, dass dadurch die Mundharmonika kaputt geht. Wie kannst du die Langlebigkeit deiner Harp sicherstellen?
Die Empfehlung: Einspielen
Seit vielen Jahren wird empfohlen, zur Steigerung der Haltbarkeit die Mundharmonika am Anfang einzuspielen. Aber so richtig klar ist nicht, was damit gemeint ist.
Ein Blick in die Bedienungsanleitung gibt dir den Hinweis, dein Instrument sachte einzuspielen.
Im Internet finden sich einige Empfehlung dazu: Manche Spieler spielen die ersten Monate nur ganz sanft auf der Mundharmonika, damit sie länger hält. Andere halten die Mundharmonika beim Autofahren aus dem Fenster, damit sie sich sanft einschwingen kann. Auch wird empfohlen, einen Fön, der auf Kaltluft gestellt wird, mit der untersten Stufe zum Anblasen zu verwenden.
Oder das Instrument wird im Stakkato richtig hart rangenommen, damit sich die Harp einschwingen kann.
Jeder hat dabei seine eigene Methode. Doch bringt das Einspielen etwas?.
Macht das Einspielen der Mundharmonika Sinn?
Ums kurz zu sagen: Das Einspielen an sich ist unter den Mundharmonikaspielern umstritten. Einige schwören darauf. Und viele Profis sind der Meinung, dass man es nicht machen muss.
Ein Argument für das Einspielen ist, dass es sich bei der Stimmzunge, wie bei einem Motor, um bewegliche Teile handelt. Und bei einem Auto soll man ja auch zuerst sachte fahren, damit sich alle Teile einschwingen können.
Ein Auto besteht aus hunderten von Teilen. Bei der diatonischen Mundharmonika hingegen gibt es die Stimmzunge, die sich bewegt. Und diese reibt im Normalfall nirgends, sonst würde kein Ton entstehen.
Bei der chromatischen Mundharmonika ist dies anders. Denn hier gibt es neben den Stimmzungen und den Ventilen die Schiebermechanik. Und dort ist es sinnvoll, zuerst behutsam darauf zu spielen.
Sinn macht es auch definitiv, die Mundharmonika nicht volle Pulle zu spielen. Denn das harte Spielen belastet tatsächlich die Stimmzungen. Bei zu starkem Luftdruck können die Stimmzungen durch die ruckartige Bewegung im Extremfall sogar abbrechen.
Denn die Stimmzunge ist ein Federpendel und durch die Bewegung wird das Material der Stimmzungen beansprucht. Bei starkem Druck und vielen Wiederholungen, gerät jedes Material irgendwann einmal an seine Belastungsgrenze. Die Folge ist schneller Verschleiß.
Von James Cotton, einem der besten Blues-Harp Spieler, wird erzählt, dass er regelmäßig die Stimmzungen seiner Mundharmonikas heraus blies.
Faktencheck: Was passiert beim Einspielen der Harp?
Aber nur, weil ein sehr starkes Spielen die Lebensdauer der Mundharmonika verkürzt, ist nicht gesagt, dass sich umgekehrt durch ein softes Einspielen die Haltbarkeit verlängert.
Denn was soll sich durch das Einspielen verändern? Eine diatonische Mundharmonika hat wie erwähnt, keine reibenden Teile. Es schwingt sich nicht ein.
Gelegentlich wird gesagt, dass die Stimmzunge durch die Vorbereitung beim Einspielen flexibler würde. Weshalb sich die Harp besser spielen ließe. Dazu müsste sich das Material der Stimmzunge grundlegend verändern. Zum Beispiel, indem die Stimmzunge dünner würde. Das ist aber nicht der Fall.
Aus der Trickkiste der Metallverarbeitung
Es gibt in der Metallverarbeitung allerdings durchaus einen Prozess, bei dem die Langlebigkeit von bestimmten Metallen durch eine Art Einschwingen erreicht wird. Dabei wird ein Metallstück durch Schwingungen mit langsam und kontinuierlich ansteigender Stärke vorbereitet.
Es lässt sich dabei eine höhere Lebensdauer erreichen. Dies geschieht dadurch, dass sich Metall-Atome im Kristallgitter verschieben und Stellen mit Lücken aufgefüllt werden, bei denen es sonst zum Bruch gekommen wäre.
Allerdings sind dazu mehr als 10 Millionen Schwingungsvorgänge notwendig. Das entspricht bei der Mundharmonika mehr als sechseinhalb Stunden andauernder Spielzeit mit ständig ansteigendem Luftdruck.
In der Realität müsste jemand also mindestens eine Woche lang jeden Tag eine Stunde pro Stimmzunge blasen oder ziehen. Bei 20 Stimmzungen wären das 20 Wochen, oder 5 Monate. Das ist erheblich mehr Zeit als die empfohlene „sanfte Woche“ Einspielzeit.
Nagelneu oder eingespielt?
Ein anderer zu beachtender Punkt ist, dass es sehr wohl Unterschiede zwischen einer neuen Mundharmonika und einer bereits einige Zeit gespielten Harp gibt. Das wird jeder bestätigen, der bereits etwas Erfahrung hat.
Es ist so, dass unsere Atemluft nie ganz rein ist. Mit ihr blasen wir immer etwas Speichel in die Mundharmonika.
Dieser Dampf hat zwei Auswirkungen. Erstens lagert sich der Speichel in den Ritzen der Mundharmonika ab. Dadurch wird die Harp also abgedichtet. Und zweitens dehnt sich der Kanzellenkörper – zumindest bei einer Mundharmonika aus Holz – aus. Auch dadurch verändert sich die Spielbarkeit und das Instrument wird dichter. Ein abgedichtetes Instrument ist besser spielbar.
Andererseits kommt beim Einspielen ein psychologischer Effekt zum Tragen. Denn jede Mundharmonika ist ein wenig anders zu spielen. Und dadurch, dass man mehrere Tage darauf spielt, gewöhnt sich der Spieler an die neue Mundharmonika.
Einspielen der Mundharmonika: So gehts
Zum Einspielen der neuen Mundharmonika wird empfohlen, diese zunächst etwas zu schonen. Das Anspielen erfolgt dabei in den folgenden Schritten.
- Nimm deine Mundharmonika in die Hand und wärme sie zunächst ein paar Minuten an.
- Hauche ganz zart in die Mundharmonika hinein, damit sich die Stimmzungen anwärmen.
- Jetzt bläst du – ganz vorsichtig – in die Mundharmonika. Und zwar so, dass drei Kanäle gleichzeitig erklingen. Dabei startest du bei den tiefsten Tönen und wanderst langsam zu den höheren Tönen hinauf. Das machst du ein paar Minuten.
- Als nächstes ziehst du – wieder ganz sachte – an den Kanälen der Mundharmonika. Jetzt erklingen also drei Ziehtöne gleichzeitig. Wieder beginnst du mit den tiefen Tönen und arbeitest dich langsam zu den hohen Tönen hinauf.
- Danach spielst du die Töne einzeln. Achte darauf, dass du hier auch nur ganz leicht ziehst oder bläst. Das machst du auch von den tiefen zu den hohen Tönen und zurück.
Diese Prozedur dauert einige Minuten. Oft wird empfohlen, es in den ersten Tagen durchzuführen, bevor du spielst. Auch auf Bending und Overblows sollte erst mal verzichtet werden.
It's the Indian, not the arrow
Ich habe Anfangs keine meiner Mundharmonikas eingespielt. Als Einsteiger war ich ungeduldig und wollte gleich loslegen. Meine ersten Harps haben irgendwann ausgedient.
Andere Mundharmonikas, die ich damals kaufte, spielen sich noch heute hervorragend. Dabei habe ich auch diese niemals eingespielt. Was war der Unterschied?
Naja, als Einsteiger habe ich die Mundharmonikas am Anfang ganz schön malträtiert. Am schlimmsten war es, als ich dabei war, das Bending zu lernen. Dabei verstimmten sich einzelne Stimmzungen. Deswegen habe ich die Harps dann auch entsorgt.
Bei den anderen Mundharmonikas hatte ich bereits die korrekte Spielweise erlernt. Und wenn ich heute eine neue Harp kaufe, dann hält diese bei mir lange, obwohl ich sie viele Stunden spiele. Und das ganz ohne Einspielen.
Der entscheidende Faktor hinsichtlich der Langlebigkeit der Mundharmonika ist also nicht das Einspielen an sich.
Und tatsächlich, wenn man sich die Fragen & Antworten auf den Hersteller-Websites durchliest, dann steht genau das auch dort. Die Empfehlung mit dem Einspielen ist für Anfänger gedacht.
Denn Einsteiger neigen (so wie ich damals) dazu, viel zu kräftig auf der Mundharmonika zu spielen. Dadurch kann die Mundharmonika tatsächlich Schaden nehmen. Durch den Hinweis möchten die Hersteller also bewirken, dass sich der Einsteiger erst Mal Sachte mit dem Instrument vertraut macht und die korrekte Spielweise erlernt.
Übrigens, wenn deine Harp Probleme macht, weil einzelne Töne klemmen oder schlecht spielbar sind, dann liegt die Ursache woanders. Das kann auch mit dem Einspielen nicht verbessert werden.
Meistens liegt die Ursache nämlich nicht am Instrument. Seltenst kann es mal vorkommen, dass man die Lösabstände der Stimmzungen einstellen muss.
In den meisten Fällen aber, liegt es am Spieler selbst, wenn die Mundharmonika sich nicht richtig spielen lässt. Dazu habe ich erst vor Kurzem den Artikel „Hilfe, mein Ton klemmt! Mundharmonika kaputt?“ geschrieben.
Fazit
Oft wird empfohlen, die Mundharmonika vor dem Spielen einzuspielen um ihre Langlebigkeit zu erhöhen.
Dabei ist es umstritten, ob das Einspielen bei einer diatonischen Mundharmonika etwas bringt. Welche genauen Mechanismen die Lebensdauer der Mundharmonika erhöhen sollen, ist unklar. Ein Blick in die Trickkiste der Ingenieure zeigt, dass es durchaus Effekte gibt, die dem Einspielen ähnlich sind. Allerdings sind dafür aufwendige Verfahren notwendig.
Bei der diatonischen Mundharmonika ist das Einspielen deswegen wahrscheinlich nicht so effektiv. Im Gegensatz dazu sollte eine chromatische Mundharmonika sehr wohl behutsam eingespielt werden.
Viel mehr Einfluss hat das Einspielen auf den Spieler. Denn die Spielweise hat mehr Einfluss auf die Lebensdauer der Mundharmonika als das Einspielen. Es empfiehlt sich darum, zuerst die richtige Spielweise zu erlernen.
Let the good times roll – Mark
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